Sie verlässt sich am liebsten auf ihr Bauchgefühl: Carolin Bartel. Und damit fährt die HR-Chefin im Palace meistens gut. Immerhin darf sie pro Jahr rund 300 Mitarbeitende rekrutieren, davon 73 Vollzeitstellen. Die weitgereiste Hamburgerin hatte einst die Hotelfachschule in Montreux absolviert und sich im Nu in die Schweiz verliebt. Heute ist sie privat unterwegs, «back to the roots». Ins Lavaux zieht es sie: in die Auberge du Raisin in Cully. Diese Trouvaille hat sie nicht zufällig entdeckt, denn man kennt sich schliesslich untereinander in der Familie der 5-Stern-Hoteliers. Die Auberge du Raisin steht nämlich seit fast vier Jahren unter der Ägide von Jean-Jacques Gauer, der lange Jahre das Lausanne Palace geführt hat. «Ich habe mich sozusagen ins Stöckli zurückgezogen und kann nochmals meine ganze Leidenschaft ausleben.»
Zusammen mit Küchenchef Julien Ostertag lädt die Familie Gauer zum Tanz in dieser stimmungsvollen Brasserie. Und wenn wir von Tanz sprechen, ist dies für einmal wörtlich zu nehmen: Denn in der Gluthitze am riesigen Kamin drehen sich die Stubenküken, wo sie vom Maître im Zehnminutentakt mit einer feinen Kräuter-Öl-Marinade übergossen werden. Dann brutzeltʼs und knuspertʼs in der Stube — ein magischer Duft liegt in der Luft. Für Carolin Bartel ist der Fall klar. Als Entrée empfiehlt der Chef des Hauses Coquilles Saint-Jacques mit Truffes und Champagner, serviert auf Kohlrabi-Spaghetti. Alternativ stünde noch hausgebeizter Lachs auf Blinis und Kaviar oder ein Carpaccio vom Féra, ein endemischer Weissfisch aus dem Genfersee, zur Wahl. Noch Fragen? Dazu serviert wird ein herrlicher Chasselas aus den Weinbergen im Dorf. Die Auberge du Raisin gehört übrigens ebenfalls der Gemeinde, seit über 60 Jahren, und ist unverkäuflich. Auch der Rotwein ist von hier: eine Grande Cuvée von Louis Bovard vom Dézaley Rouge, Merlot und Syrah. Wie im Flug vergeht die Zeit im Schlaraffenland bei Gauers. Ein letzter Ristretto, dazu Mignardises inklusive der besten Madeleine au pistache in der nördlichen Hemisphäre. Wir fliegen zurück nach Gstaad — und schweben in Gedanken noch immer an den Gestaden des Lac Léman. (rw)