Das ist eine Art «Art on Ice», was sich da abzeichnet, an diesem eiskalten Februarmorgen. Zwischen den Landebahnen des Gstaad Airport hat sich eine andere weltgewandte Gemeinschaft versammelt. Der Gstaad Automobile Club lädt zum Fahrtraining auf Eis und Schnee.
Hansueli Brand, Clubobmann und Besitzer der LEDI Garage in Feutersoey — redet, als seiʼs seine Muttersprache, den 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ins Gewissen. Deutsch und englisch, deutlich. «Nehmt Euch ein Vorbild an Marcel Hirscher, dem x-fachen Weltmeister in Abfahrt, Slalom, Riesenslalom. Er hat einmal gesagt: Alle Techniken, die man nicht mindestens sechshundert mal fehlerfrei wiederholt hat, sind nicht in unserem Hirn abgespeichert.» Fahren im Schnee will geübt sein, wie Skifahren eben auch. Viele der Anwesenden besitzen sogar eine eigene Rennlizenz. Und doch verhält sich der Wagen auf glatter Unterlage komplett anders als auf der trockenen Strasse. Im Fahrtraining geht es deshalb in erster Linie darum, heikle Abläufe und die angemessenen Reaktionen darauf zu üben. «Diese müssen in Fleisch und Blut übergehen. Der Fahrer darf in brenzligen Momenten nicht überlegen, sondern muss automatisch richtig handeln. Das ist das Ziel.»
Viermal im Winter ist der Gstaad Automobile Club, der 2005 gegründet wurde, auf dem Eisfeld in Saanen aktiv. Im Durchschnitt kommen bis maximal 25 Clubmitglieder ans Training. «Man muss sich anmelden. Wir mieten die Piste von der AZ-Gstaad GmbH. Denn die Strecke ist ideal, weil wir hier im Talkessel gewissermassen im Sibirien des Saanenlands sind.» Dies garantiert beste Fahrbedingungen jeweils zwischen Mitte Dezember und März. Alle Anwesenden, Andrea Scherz als Gast ebenso, mussten eine Extra-Haftpflicht für den heutigen Tag abschliessen. Schliesslich sind sie mit dem eigenen Fahrzeug am Start, es ist ein bunt gemischter Fahrzeugpark am Start, kurz nach 10 Uhr morgens bei minus 5 Grad.
Als erstes dreht sich alles um die Lenktechnik. «Diese wird oft unterschätzt und in Krisenmomenten sehr wichtig.» Und schon wirbeln und kurbeln die Fahrerinnen und Fahrer um die Wette. Hansueli Brand stoppt alle und brieft seine Schützlinge erneut. 2. Runde. Das Steuern auf Eis geht schon viel besser von der Hand. Dann geht er zum Bremstraining über. Denn Bremsen und Steuern — oder besser: über- und untersteuern — haben enorm viel miteinander zu tun. Zuerst müssen die Testpiloten den Bremsweg auf Schnee bei harmlosen 30 km/h schätzen. Gar nicht so einfach. «Im Normalfall beträgt dieser rund 9 Meter inklusive Reaktionszeit. Die Bremsverzögerung sinkt auf Schneefahrbahn auf 2,0 bis 3,0 Meter pro Sekunde.» Bei Glatteis steigt der Bremsweg sogar auf das Siebenfache gegenüber trockener Fahrbahn an. Generell seien Fahrzeuge mit weniger Leistung auf Eis besser als jene mit vielen PS, gibt Brand zu bedenken. Je sportlicher die Aufhängung und Federung ist, desto schlechter ist der Wagen unter extremen Wetterbedingungen zu beherrschen — lautet die Gleichung.
Nun steht ein erster Test an — die Fahrer treten in einem Oval gegen einander an und versuchen, Mann gegen Mann, Frau gegen Frau, Distanz aufzuholen. «Vieles beim guten Autofahren passiert im Kopf. Ist also Psychologie. Wir unterscheiden in erster Linie: Angst versus Respekt.» Angst sei kontraproduktiv und lähmend, Respekt hingegen schaffe Sicherheit. Mehr Wissen fördere den Respekt. «Das Auto verhält sich wie auf Carvingskis. Wenn ich mit dem Gewicht und dessen Verlagerung beim Skifahren sauber spiele, kann ich dessen Wirkung sowie deren Beschleunigungs- und Fliehkraft positiv nutzen. Dann geht das Kurvenfahren viel besser von der Hand.»
Genau so reagiert ein Auto beim Bremsen, zum Beispiel beim Riesenslalom, der am Nachmittag auf dem Programm steht. Nicht abrupt, sondern leicht bremsen sei deshalb besser. Die Draufgänger und Alphatiere — meistens männlich, sagt Instruktor Hansueli Brand — seien hier im Nachteil, während Frauen oft sanfter und respektvoller ins Geschehen eingriffen. Am Abend, nach dem rund vierstündign Training, seien dann alle, unabhängig vom Geschlecht, inetwa gleich schnell und sattelfest unterwegs. (rw)
Gstaad Automobile Club: Das jüngste ist 16, das älteste Mitglied 91 im Gstaad Automobile Club, in den man nur auf Einladung und mittels Patenfürsprache aufgenommen werden kann. Der Club besteht aus einer Gruppe von ausgewählten Personen — die Driver sind Gentleman by driving — das ergibt gute Freunde, die ihre Passion für Autos und Genuss gemeinsam haben.