Manche der Figürchen erzielen Spitzenpreise bei Auktionen. Die Kunstwerke der Brienzer Holzschnitzer sind ein gefragtes Gut, überall auf dem Globus. Und einer, der nicht nur weiss, wie man diese schönen Krippengestalten aus Holz formt, sondern auch anderen beibringt, wie man dies tut, den kann man «heimsuchen»: Markus Flück, Leiter der Schule für Holzbildhauerei und selbst «Schnitzler».
Vom Bahnhof Brienz zieht es sich ein wenig, 10 Minuten zu Fuss sind es, die man auf sich nehmen muss. Doch der Weg lohnt sich, denn er führt unweigerlich an diversen Schaufenstern in diesem pittoresken Chaletdorf vorbei. Und wem es das Holz angetan hat, der kann sich unterwegs kaum sattsehen. Maria, Josef, die Hirten, die drei Könige, Schäfchen und viele andere biblischen Figuren stehen Spalier. Das sind sie also, die kunstvoll seit Generationen gefertigten Werke, die so manche Krippe auf der Welt schmücken. Brienz kennt man.
Dass da die Holzschnitzer nicht weit sein können, liegt auf der Hand. Dass es aber eine eigene Ausbildungsstätte für die «Hölzigen» gibt, das wissen nur wenige. Und dass diese Kunst von einem jungen Künstler geleitet wird, dem das Schnitzen in die Wiege gelegt wurde, das ist eine Fügung des Schicksals, gewissermassen. Markus Flück wirkt dort, wo er das Licht der Welt erblickt hat: in Brienz. Was nicht heissen will, dass er nichts von selbiger gesehen hätte. Im Gegenteil, er ist ein gebildeter, weitsichtiger Mann. Schon sein Urgrossvater hatte mit Holz seinen Unterhalt verdient. Obwohl Flücks eher «Blecherne» waren, sprich Spenglermeister und Sanitäre, hatʼs ihn zu den «Hölzigen» verschlagen. Das mag nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass ihm seine Vorfahren sämtliches Werkzeug vererbt hatten. 200 Meissel in allen Grössen und Formen von Urgrossvater Stähli gehören dazu. Wie dem Chirurgen sind sie sein Ein und Alles. Und wollen gehegt und gepflegt sein — sprich, ein guter Holzschnitzer hält seine Messer stets gewetzt.
Der Berufswunsch, der stand für Markus Flück gar nie gross zur Diskussion. Er hatte eine natürliche Begabung, fürs Figürliche, fürs Zeichnen, schon ganz früh. Nach seiner offiziellen Schulzeit startete er seine Karriere schnurstracks mit einer vierjährigen Lehre zum Holzbildhauer. Nicht irgendwo, sondern beim Vorzeigebetrieb: bei Hugglers. Diese Familie produziert seit über 100 Jahren die schönsten Figuren und verschickt sie in alle Himmelsrichtungen. Markus zahlte Lehrgeld und arbeitete stunden-, ja tagelang. Zu einem Stundenlohn von 18 Franken, später dann ging ihm das Schnitzen einfacher von der Hand, und er wählte einen Vertrag, wo er im Akkord bezahlt war. «Fleiss hat seinen Preis. Wenn du gut und schnell bist, schnitzt du bis zu 30 Mal eine Joseffigur am Stück.»
Markus war amibitiös —, und ist es bis heute geblieben. Auf keinen Fall wollte er stehen bleiben. Kaum hatte er ein wenig Geld auf der Seite, zogʼs ihn hinaus, über den grossen Teich, nach San Diego und an die Universität von Philadelphia für ein Vertiefungsstudium in Kunst. «Dass ich nach dieser zweiten Schule fürs Leben wieder in Brienz landen würde, das hätte ich wahrhaftig nicht gedacht», lacht Flück. Doch erstens kommt es anders — und zweitens, als man denkt. Kollegen aus der Heimat hatten ihn auf die Stellenausschreibung hingewiesen. Gesucht war ein neuer Leiter für die Holzbildhauerschule. Diese Institution, 1884 gegründet, übt eine Magie aus wie keine zweite.
Und so kam es, wie es kommen musste: Er kam, sah und siegte. Seit nunmehr vier Jahren steht Markus Flück der «Schnitzerschule Brienz», wie sie damals hiess, vor. 24 Lernende schwitzen in der Lehrwerkstatt und wollen Holzbildhauerin, Holzbildhauer werden. Andere erlernen das Holzhandwerk in den Fachrichtungen Drechslerei und Weissküferei oder widmen sich der Korb- und Flechtwerkgestaltung sowie der Küferei. Ihr oberster Lehrer: einer von ihnen. «Vier Fünftel meiner Zeit verbringe ich im Büro und organisiere den Betrieb. Zu zehn Prozent unterrichte ich, um den Draht zur Basis nicht zu verlieren.» Bleiben nach Adam Riese noch zehn Prozent. Und die lässt sich der Brienzer nicht nehmen. Denn dann sind er und seine Holzkunst an der Reihe. Dann zückt er nicht etwa Meissel und Hammer, sondern seine Motorsäge. Er ist nämlich auch ein Mann fürs Grobe. Vorerst rückt er den Holzstämmen mit Axt und Beil zu Leibe, anschliessend kommt die Kettensäge zum Zug. Treffsicher bahnt sich Markus Flück seinen Weg durch sein Element: das Holz aus Brienz. (rw)
Weiterlesen:
Schweizer Handwerkskunst
Orell Füssli Verlag, Zürich, 2016
ISBN 978-3-280-05627-1
Website Verlag
Schule für Holzbildhauerei
Schleegasse 1, 3855 Brienz
holzbildhauerei.ch
Markus Flück, Holzbildhauer
Feldstrasse 18, 3855 Brienz
markusflueck.com